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Gedanken eines aus dem Amt scheidenden Stadtrats zur Neuen Mitte

Mai 05, 2020
Der Bau der „Neuen Mitte“ (NM) war das größte Projekt, das ich in meiner Zeit als Mitglied der FWG-Fraktion im Passauer Stadtrat befürwortete. Mit der Verwirklichung der NM konnten – so unsere Überzeugung – mehrere Probleme zugleich gelöst werden:
  • Der Bau eines Konzerthauses
  • Die Umwandlung des staubigen Parkplatzes Exerzierplatz in einen Park
  • Die Verlagerung der beengten Maidult nach Kohlbruck
  • Der Bau eines funktionsfähigen ZOBs
  • Die Verbannung des Kfz-Verkehrs aus Teilen der Dr.Hans-Kapfinger-Straße und der Bahnhofsstraße
  • Der Bau eines Einkaufszentrums nahe der Innenstadt und nicht in der Peripherie nach Ankauf des Lokschuppenareals.
Mit Ausnahme des für uns wichtigsten Teilziels, den Bau eines Konzerthauses, der durch einen Bürgerentscheid verhindert wurde, könnte man doch mit dem Erreichen der übrigen Ziele zufrieden sein, möchte man meinen.
Mitnichten, denn die Kritik an der NM traf uns und mich als Befürworter dieser „Bausünde“ mit voller Wucht.
So schreibt der Bürgerblick: „Der 38 Meter hohe Klotz aus Granit und Glas zwischen dem ehrwürdigen Nikolakloster und der barocken Altstadt hat Entsetzen und Empörung ausgelöst. Denn die Passauer mussten nun erfahren, dass sie beim gepriesenen Jahrhundertprojekt Neue Mitte durch schöne Worte belogen und getäuscht werden: Der Turm wurde kein Turm, sondern – gemessen an der Pracht der Barockstadt – ein hässliches Hochhaus.“
Schon der Begriff „Neue Mitte“ sei der „arrogante Versuch“ der Alten Mitte um den Dom eine dominierende NM gegenüber zu stellen. Das bedeute, einen „Hasenstall“ als architektonische Herausforderung dem Dom entgegen zu setzen! Welch eine Hybris, welch ein Verrat an der Stadt Passau und seiner Geschichte! Dabei wurden im Gestaltungsbeirat lange Diskussionen darüber geführt, wie man eine mögliche Dominanz des Stadtturms gegenüber dem Dom vermeiden könne. Nach Vorführung von Visualisierungen aus verschiedenen Blickwinkeln wurde entschieden, den Turm um ein Stockwerk zu verkürzen. Das betrübliche Ergebnis nach Eingeständnis des leitenden Architekten: Jetzt stimmen die Proportionen nicht mehr. Der Turm ist für ein Hochhaus zu hoch und für einen Turm zu niedrig.
Dass der Bau eines Konzerthauses durch Bürgerentscheid verhindert wurde, sei schon deswegen richtig, weil die Qualität der Architektur des Stadtturms und der anschließenden Gebäude derartig minderwertig sei, dass man dort ein Konzerthaus nicht mehr hinstellen könne.
Die im Gestaltungsbeirat bis ins Detail geplante Fassade des Stadtturms wurden als „phantasielos und gestaltungsfaul“ kritisiert und die vom Investor gewählte Steinverkleidung vom Gestaltungsbeirat selbst als „Metzgermarmor“ bezeichnet. Der Gestaltungsbeirat hatte sich einen hellen Stein gewünscht.
Der Bau eines Einkaufszentrums in seiner massiven Größe könne sich in die Stadt weder in architektonischer, noch in wirtschaftlicher noch in verkehrstechnischer Hinsicht einfügen. Das müsse doch den Befürwortern des Projekts von vorneherein klar gewesen sein. Die „Empörung und das Entsetzen“ der Kritiker beim Anblick der fertigen „mediokren Architektur“ dieser „Schachtel“ mit „Lochblechfassade“ war entsprechend groß.
Und was wurde aus dem versprochenen Park statt staubiger Parkplatzöde? „Ein mit Bäumen umgrenzter Kiesplatz“ mit wenig Aufenthaltsqualität, der wegen Entstehung unerwünschter Cliquen nun mit Videoanlagen überwacht werden müsse.
Überhaupt fehle der NM eine „Idee“, und damit die „Schaffung eines Lebens- und Erlebnisraums, wie ihn Heller mit seinen „hängenden japanischen Gärten“ hätte verwirklichen wollen. Dazu jedoch bemerkte die Süddeutsche Zeitung sarkastisch: „Etwas architektonisch Hässlicheres als dieser Furunkel lässt sich kaum denken.“ Der Kunsthistoriker Rudolf Maria Bergmann bezeichnete des Heller-Projekt in Passau als „Rezeptur aus Kommerz und poetisch verpacktem Mumpitz … und liefert dazu eine verquaste Heilsbotschaft.“
Dabei existierte eine Idee: Die Bauten der NM von der Augustinergasse bis hin zur Bahnhofsstraße sollten wie eine Art neue Stadtmauer mit engen Zugängen zur Innenstadt wirken. So wie sich die mittelalterliche Stadt zwiebelschalenartig nach Westen mit Stadtmauern zuerst auf Höhe des Paulusbogen und dann des Ludwigsplatzes entwickelt hat, so sollte sich nun ein neuer stadtmauerartiger Ring um die Innenstadt bilden. Aber leider wurde auch diese Idee der „Stadtmauer“ durch den Bau des ZOB zerstört.
Wie, so frägt sich der scheidende Stadtrat, hätten denn nach den Vorstellungen der Kritiker die Gebäude der NM aussehen sollen? Sie forderten „Entfaltung statt Sterilität“, den „Schöpfungsakt des freien, fühlenden Menschen statt Termitenarchitektur“ oder kurz den „Tempel statt den Hasenstall“. Wie allerdings dieser „Tempel“ aussehen sollte, dafür blieben die Kritiker die Antwort schuldig.
Es hätte wohl ein Gebäude sein sollen, wie es sich Johann Gottfried Herder vorstellte, von „erhabenster Wohlordnung“, „größter Simplizität“, und „regelmäßigster Symmetrie“. Dann würde der Betrachter wie einst „der Jüngling, in dessen Seele die Philosophie des Schönen schläft“, „die Linien der Einheit und Mannigfaltigkeit“, welche „Jahrhunderte und Menschengeschlechter überleben“ werden, bei der Betrachtung des Gebäudes erkennen können.
Leider, in der Architektur des Stadtturms wird deren Betrachter die „Philosophie des Schönen“ , also „die durch Architektur vermittelten Ideen und deren ästhetischen Gesetze beziehungsweise Prinzipien“ wohl nicht erkennen können oder auch gar nicht wollen.
Bausünde oder nicht, die NM ist voller Leben. Die Leute nehmen sie an.

Klaus Schürzinger,
29.04.2020

14 Juni, 2023
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24 Mai, 2023
Mit dem „Antrag auf Umwandlung der Ziegelmehl-Laufbahn in eine Kunststoff-Bahn“ vom 6. Juni 2007 hat unser ehemaliger FWG-Stadtrat und mein Vorgänger im Amt des Fraktionsvorsitzenden Alois Feuerer den eigentlichen Startschuss für eine Sanierung der Sportanlage Oberhaus gegeben! Jetzt, 16 Jahre später, nach einer Vielzahl weiterer Anträge und ebenso vieler Verschiebungen und Vertröstungen erfolgte am 17. Mai 2023 der Spatenstich zur Sanierung der Sportanlage Oberhaus. Ein herzliches Dankeschön an alle, die mit dazu beigetragen haben!
24 Jan., 2023
Unter dem Motto „Fasching einmal anders“ initiierte der Passauer FWG-Stadtrat und Fraktionsvorsitzende Siegfried Kapfer vor kurzem für Mitglieder und Freunde der FWG Passau sowie für Mitglieder des Bayerischen Beamtenbundes und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) einen Besuch im Passauer Stadttheater, wo das Dreiflüssetheater Passau nach zweijähriger Corona-Pause mit der Komödie „Komödie im Dunklen“ von Peter Shaffer unter der Regie von Andreas Brunner gastierte. Kurz vor Beginn des Theaterabends trafen sich Stadtrat Siegfried Kapfer (stehend 1. v. re.), Bürgermeisterin Erika Träger (vorne Mitte) und Ralf Schützenberger (stehend 4. v. li.), der verantwortliche Dienststellenleiter für Theater und Redoute, mit den Hauptdarstellern und dem Regisseur hinter dem Vorhang in der Kulisse! (Foto: Wolfgang Korduletsch)
12 Dez., 2022
03 Dez., 2022
Im Rahmen der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Freien Wählergemeinschaft (FWG) Passau, die vor kurzem in der „Peschl-Terrasse“ über die Bühne ging, konnte FWG-Vorsitzender Stadtrat Siegfried Kapfer (1. v. re.) gleich mehrere Mitglieder für ihre langjährige Mitgliedschaft auszeichnen. Im Beisein von Bürgermeisterin Erika Träger und Stadtratskollege Martin Burkert (1. v. li.) bedankte er sich bei (v. re.) Günter Schmidt , Reinhold Mast , seinen ehemaligen Stadtratskollegen Alois Feuerer und Klaus Schürzinger , sowie Manfred Vesper für 40jährige Mitgliedschaft in der FWG Passau!
03 Feb., 2022
Am 02.02.2022 hätte Passaus Ehrenbürger Oberbürgermeister a.D. Dr. Stephan Billinger seinen 125. Geburtstag gefeiert. Zur Erinnerung an ihn lud Oberbürgermeister Jürgen Dupper Angehörige, seine Stellvertreter und die Fraktionsführer zu einer kleinen Gedenkfeier an das Familiengrab im Innstadtfriedhof ein. Foto: Stadt Passau
27 Jan., 2022
Am 27. Januar vor 77 Jahren befreiten Soldaten der Roten Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, wo die Nazis mehr als eine Million Menschen ermordet hatten. Den Tag der Befreiung, der mittlerweile bundesweiter Holocaust-Gedenktag ist, nahm Oberbürgermeister Jürgen Dupper zum Anlass zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, heuer pandemiebedingt im kleinen Rahmen, zusammen mit zweitem Bürgermeister Andreas Rother und Vertretern der Stadtratsfraktionen einen Kranz niederzulegen. Im Bild (v.re.) Markus Sturm, Alois Ortner, Andreas Rother, OB Jürgen Dupper, Dr. Stefanie Wehner, Siegfried Kapfer, Urban Mangold und Dr. Pankraz Freiherr von Freyberg
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